Wenn aus Problemen Pfunde werden

Viele waren zwar davon überzeugt, dass sie nur ihr Gewicht loswerden müssten, dann würde auch der Schmerz verschwinden, doch das Gegenteil erwies sich als wahr: Wenn sie ihren Schmerz losließen, normalisierte sich auch ihr Gewicht.

Vorwort
Meine Idee zu diesem Buch entstand 1991, während ich in einer Frauen-Psychiatrie mit Opfern von sexuellem Miss-brauch arbeitete. Fast jede litt unter tiefem emotionalen Schmerz: Stress, Kummer, Depressionen, Wut und Unzu-friedenheit bei der Arbeit, in der Beziehung und im Leben allgemein. »Ist das alles, was ich je erleben werde?«, fragten sie mich auf verschiedenste Weise. Viele dieser Frauen suchten Trost und Sicherheit im Essen. Manchmal nutzten sie es auch zur Selbstbestrafung. Und viele waren überzeugt, dass sie ihr Leid los wären, wenn sie nur abnehmen könnten. Im Lauf der Zeit stellten sie allerdings fest, dass das Gegen-teil der Fall war: Sie mussten erst ihr Leid loswerden, dann verschwanden die Pfunde wie von selbst.Als ich anfing, mich als Psychotherapeutin auf Essstörungen zu spezialisieren, war ich hinsichtlich der Brutalität von Gewalt in Familien ziemlich naiv. Persönlich hatte ich der-gleichen nie erlebt. Eine Frau nach der anderen erzählte mir von emotionaler Vernachlässigung, schlimmen Beschimp-fungen, Belästigungen, Inzest, Vergewaltigung, kultischen Handlungen und anderen Formen von Kindesmissbrauch. Im Lauf eines Jahres erlebte ich Hunderte von Frauen, die weinten, schrien und unendliche Pfunde von Schmerz freiließen.Sobald ich mit einer übergewichtigen Frau arbeitete, nahm sie ab. Das führte zu einer enormen Nachfrage. All die Frauen, die mich konsultierten, hatten die verschiedensten Diäten ausprobiert, aber immer wieder Gewicht zugelegt.Ich hatte das Glück, als Tochter liebevoller, sehr intelligenter und metaphysisch aufgeschlossener Eltern aufzuwachsen. Mein Vater ist Schriftsteller, meine Mutter war Anhänge-rin der Christlichen Wissenschaft und arbeitete als Bera-terin für die Weight Watchers. Wahrscheinlich ist es kein Wunder, dass ich einen Beruf wählte, der eine Mischung dieser Beschäftigungen bildet. Als Therapeutin habe ich vieles eingesetzt, was mich meine Eltern gelehrt hatten: Visualisierungen, Affirmationen, Imagination, Meditation, gesundes Essen und regelmäßiger Sport. In meinen Zwanzi-gern nutzte ich genau diese Werkzeuge, um mein Dasein zu verwandeln: von einer unglücklichen Existenz in das Leben meiner Träume. (Im Folgenden werde ich Ihnen mehr davon erzählen.)In den 1980er-Jahren konzentrierte ich mich als Psycho-therapeutin darauf, mit meinen Klienten zu entdecken, warum sie sich überaßen, statt darauf, was sie aßen. Zu jener Zeit war das ein brandneuer Ansatz; heutzutage ist er weit verbreitet. In meinem Buch »The Yo-Yo Syndrome Diet« habe ich meine Forschungsergebnisse über die Zusammenhänge zwischen Emotionen und Übergewicht dargestellt. Details der Methoden, die ich bei meiner Arbeit mit überge-wichtigen Missbrauchsopfern einsetzte, lesen Sie auf den fol-genden Seiten.

Dieses Buch soll Ihnen als Informationsquelle und praktischer Ratgeber dienen.Den Schwerpunkt meiner Arbeit bildeten typische Frauen-themen – was sich im vorliegenden Buch widerspiegelt. »Wenn aus Problemen Pfunde werden« wendet sich an Frauen, die aufgrund von Stress, Depressionen, Angst, Beziehungsproblemen oder beruflichen Schwierigkeiten zu viel essen. Was Sie hier finden, ist natürlich auch für Männer nützlich, die derartige Probleme haben. Schließlich halten sich Pfunde des Schmerzes nicht nur an ein Geschlecht. Doch da in erster Linie Frauen meine Unterstützung in Anspruch nehmen, verwende ich in diesem Buch auch meist die weiblichen Pronomen statt umständlicher For-mulierungen wie »er/sie« oder »ihm/ihr«. (Anmerkung für die deutsche Ausgabe: In der Regel wird der besseren Les-barkeit zuliebe auch auf Doppelformen wie »Therapeut/-in« verzichtet; die Bezeichnung »Therapeut« umfasst dann selbstverständlich auch Frauen, die diese Profession ausü-ben; Entsprechendes gilt für »Klient«, »Patient« usw.)Anfangs stieß ich auf Widerstände, als ich über die Zusam-menhänge zwischen Kindesmissbrauch und Esssucht sprach und schrieb. Heutzutage steht man diesem Konzept offener gegenüber. Manche Therapeuten sind jedoch ins andere Extrem abgedriftet und scheinen davon auszugehen, jede Klientin mit Essstörungen sei sexuell missbraucht worden, selbst wenn sich die Betreffende nicht daran erinnert.Nicht jede Esssüchtige ist sexuell missbraucht worden! Der Schmerz, den sie in Form ihrer Pfunde mit sich herumträgt, kann unterschiedliche Ursachen haben; ich werde sie im weiteren Verlauf dieses Buches beschreiben.Trotzdem gibt es tatsächlich viele Opfer von sexuellem Missbrauch, die mit dem Trauma nur zurande kommen, indem sie die Ereignisse verdrängen und vergessen. Ich bin sehr besorgt darüber, dass Medienberichte über »falsche Erinnerungen« und übereifrige Therapeuten womöglich jene Menschen beeinflussen, die dringend Hilfe benötigen.Wie immer nähern wir uns der Heilung eines Problems, indem wir seine Symptome und Wurzeln erkunden. Sobald der Schmerz identifiziert wurde, kann er losgelassen werden. Mit dem Loslassen des Schmerzes schwinden auch die Pfunde. Ich bin fest davon überzeugt, dass es unserem wahren, natürlichen Zustand entspricht, an Körper und Geist unbe-schwert, leicht und licht zu sein und uns unseres Lebens zu freuen, auch wenn wir unsere Pflichten verantwortungsbe-wusst erfüllen. Wir müssen Schmerzen und Leid nicht blind akzeptieren; sie sind vielmehr ein Signal, dass etwas nicht richtig ist und verändert beziehungsweise geheilt werden will. Es entspricht unserer Bestimmung, gesunde, normal-gewichtige Körper zu haben. Dieses Buch will Ihnen beim Entdecken Ihres wahren, natürlichen Selbst helfen, indem Sie sich Ihrer falschen Hülle von Unzufriedenheit und Übergewicht entledigen.